Ich saß frustriert am Strand und sah denjenigen zu, die bereist elegant auf den Wellen ritten, als sich mein Leben komplett verändern sollte. Aber lasst mich von vorne beginnen. Die Geschichte beginnt hier, an einem dunklen Winterabend:
Ich stapfte zur Weihnachtszeit durch nasskalten Schnee. Es gelang mir einfach nicht, den Straßenlärm der Großstadt oder die grimmigen Gesichter meiner Mitmenschen zu ignorieren. Überall hörte ich negative Sätze, sei es zur Weltpolitik oder zum Wetter. Selbst in meinem Kopf sah es nicht viel besser aus. Während meines Weges zur Arbeit dachte ich immer wieder darüber nach, wie wenig erfüllend dieser Job war. Im Büro hielt ich meinen Chef und meine Kollegen für Idioten und wenn ich wieder nach Hause kam, schimpfte ich mit mir selbst, weil ich nicht das Leben lebte, das ich mir wünschte.
Früher hatte ich meinen Ex-Partner gleich mit dafür verantwortlich gemacht, aber wir hatten uns getrennt. Jetzt war nur noch ich übrig. Was beschissen war, denn nun musste ich weiter gucken um jemanden zu finden, den ich verantwortlich machen konnte. Meine Eltern waren ein ideales erstes Ziel. Dann hatte ich miese Lehrer, doofe Chefs, fiese Freunde und überhaupt ständig Leute um mich herum, die mir das Leben schwer machten. Ich zog sie quasi magisch an. Genauso magisch, wie ich die falschen Jobs herauspickte. Ich war der absoluten Überzeugung, dass mich niemand wirklich mochte oder für kompetent hielt. Aus meiner Sicht, hatte mich noch nie irgendein Mensch wirklich geliebt.
Wie zum Beweis, dass meine negativen Gedanken zum Leben tatsächlich stimmten, trat ich in eine Eispfütze und kaltes Straßenschneewasser verteilte sich siegessicher in meinen Winterschuhen. Ich unterdrückte einen wütenden Aufschrei.
„Universum, was zur Hölle willst du mir sagen?“ dachte ich gerade, als mein Blick beinahe zeitgleich auf ein U-Bahn Plakat fiel.
„You cannot stop the waves from coming – but you can choose which one to surf!”
Irgendetwas passierte in mir, als ich diesen Werbespruch für Urlaube auf Bali las.
Du kannst die Wellen nicht aufhalten, sie kommen einfach – aber Du kannst lernen, welche Du surfst!
Die Frau auf dem Plakat surfte mit ihrem wunderschönen Körper eine riesige Welle vor einem traumhaften Strand. Sie sah glücklich aus. Im Einklang mit sich und der Welt. Ich seufzte und wartete auf meinen inneren Kommentator, der sicherlich gleich Sätze feuerte wie:
„So wie diese Frau da wirst du fette Sau sicherlich nie aussehen!“
„Das kannst du dir nicht leisten und wirst es niemals können!“
„Du bist zu feige, um alleine dorthin zu reisen!“
Doch das passierte diesmal nicht. Das erste Mal in meinem Leben wusste ich mit jeder Faser meines Körpers, dass ich genau das tun musste. Ich ging an diesem Abend nach Hause und buchte einen Surftrip nach Bali. Ich wusste nicht, wie surfen ging. Aber so schwer konnte es ja nicht sein.
Nun, ich wurde eines Besseren belehrt. Surfen ist genauso einfach, wie leben. Ihr seht das Problem? Nein? Okay, ich gehe mal in die Details.
Bereits am ersten Tag schluckte ich mehr Salzwasser, als meinem Magen gut tat. Ein bisschen wie zu viel Prosecco mit der besten Freundin oder Schnäpschen mit den Kumpels. Welle um Welle zog mich unter Wasser. Sieht ein wenig so aus wie in einer Waschmaschine, von außen beobachtet. Heute weiß ich, wie sich Socken im Schleudergang fühlen. So oft, wie ich mein Surfbrett an den Kopf gekriegt habe, klopfte sonst nur mein Schädel nach einem Kater.
Nach der ersten Session dachte ich: Surfen kann mich mal. Surfen ist die gleiche Arschgeige wie mein Leben.
Ich saß frustriert am Strand und sah denjenigen zu, die bereist elegant auf den Wellen ritten, als sich mein Leben komplett verändern sollte.
Ein Junge hockte sich neben mich. Ein Einheimischer. Sein Surfbrett war bemalt mit fremdartigen Zeichen und wunderschön farbigen Pflanzen und Meerestieren.
„Du hast aber ein schönes Surfbrett“, sagte ich spontan auf Englisch. Ich war überrascht, wie gut er in dieser Sprache antworten konnte:
„Danke. Ja, mir gefällt es auch gut. Seit ich dieses Brett habe, surfe ich viel besser.“
Wir unterhielten uns eine Weile. Er hieß Cole. Ich erfuhr, dass seine Eltern mit ihm und seiner Schwester hier auf Bali lebten. Der Vater kam ursprünglich aus Neuseeland, seine Mutter war Balinesin. Er surfte, als sei er im Ozean geboren worden. Ich liebte es, ihm zu zusehen. Nach einer Weile fragte ich Cole, was sein Geheimnis sei. Wie schaffte er es, derart elegant auf den Wellen zu gleiten?
Da drehte er sein Surfbrett um und zeigte auf die Schrift, die ich nicht verstand.
„Da steht:
Ich erkenne, wann eine gute Zeit für mich ist.
Alles ist gut.
Ich finde immer meinen Weg nach Hause.“
Cole sah mich kurz an, ehe er fragte:
„Auf deinem Surfbrett, was steht da?“
Ich drehte mein Surfboard um.
Da stand nichts. Weiße Fläche. Es war leer.
„Das ist doch schon mal gut. Meine Mutter sagt, dass in der Leere die Stille zu Hause ist und dort alle Antworten zu finden sind. Es ist komisch, aber sie hat recht.“
Ich musste lachen.
Cole erzählte munter weiter:
„Wenn ich surfe, da höre nichts mehr außer das Meer. Ich spüre nur die Wellen. Und ich weiß, wann eine gute Zeit ist, um die passenden Wellen zu surfen. Wenn ich sie reite, weiß ich, dass ich auf meinem Weg nach Hause bin. Ich weiß, dass im Meer alles gut ist.“
Er zeigte wieder auf sein Surfbrett: „Es steht ja alles hier drauf. Was auf einem Surfbrett steht, das stimmt. Ein Surfbrett ist wie dein Kopf und dein Herz zusammen.“
Dann stellte mir Cole eine elementare Frage:
„Was soll auf deinem Surfbrett stehen?“
An diesem Abend bemalten Cole und ich gemeinsam mein Surfbrett. Ich hatte begriffen, dass ich weder surfen lernen, noch leben konnte, wenn mich meine negativen Glaubenssätze stetig nach unten zogen. Ich schrieb gegen jeden negativen Glaubenssatz einen auf, der mich glücklich machte:
„Ich bin wer ich bin und jeder darf mich sehen!“
„Ich bin stark!“
„Ich kann alles erreichen, was ich will!“
„Ich werde geliebt!“
„Das Leben hält ein Geschenk für mich bereit!“
„Ich gehe meinen Weg mit Leichtigkeit“
Wenn meine Welle kam, dann surfte ich sie mit meinem stärksten Glaubenssatz: „Ich bin getragen von Liebe.“
Wir kommen nicht als Profi-Surfer zur Welt, genau wie wir nicht als Erleuchtete gleich nach der Geburt unsere Augen öffnen. Wir lernen zu surfen genauso, wie wir lernen zu leben. Es ist unsere Aufgabe, jene Glaubenssätze in unseren Köpfen zu erkennen, die uns krank machen und uns bremsen. Es ist unsere Aufgabe, solche Beliefs in unsere Herzen und Köpfe zu schreiben, die uns Kraft geben.
Das Meer ist wie das Leben. Es schickt uns Stürme und Monsterwellen, genauso wie strahlenden Sonnenschein mit glasklarem Wasser und sanftem Meeresrauschen. Je öfter wir bewusst die Entscheidung treffen, ins Meer des Lebens einzutauchen und für uns geeignete Wellen zu surfen, desto besser werden wir. Wir gehen nicht mehr oft unter, denn wir wissen, welche Surfbretter wir brauchen um etwas mehr auf den Wellen des Lebens zu surfen.